Ausstellung Christian Stock

CHRISTIAN STOCK

3 Quadratische Sonnen eine Hommage à Josef Albers –

zeitlos Schönes

Galerie Christoph Dürr
Hübnerstr. 5 80637 München-Neuhausen

Der Titel der Ausstellung ist eine contradictio in eo ipse, man möchte duplizierend gar sagen: in eo dipse, denn erstens gibt es nun mal nur eine Sonne und die ist rund. Ebenso widersprüchlich ist die scheinbar “schlampige“ Werkausführung Stocks angesichts der Akribie, mit der Albers seine Arbeiten gefertigt hat. Wie daraus trotzdem ein Schuh wird, erläutert Martin Fritz

Stock und Albers im Dialog

Künstlerische Entwicklung ist ein über die Jahrhunderte hinweg geführter Dialog.Ein Teil dieser Konversation sind auch die Selbstgespräche, die Künstlerinnen und Künstler mit ihren eigenen Werken führen. Das Neue entsteht nie voraussetzungslos und radikale Erfindungen erklären sich nicht zuletzt aus einer – mitunter konfliktreichen – Beziehung zum Vorhergehenden. Die berühmten Verweigerungsgesten zu Beginn des 20. Jahrhunderts – etwa Duchamps Fountain oder Malewitschs Schwarzes Quadrat – verweisen so gerade in der Abwendung auf die künstlerischen Konventionen der Jahrhunderte davor.

Mit der Nennung des Schwarzen Quadrats begeben wir uns an einen derAusgangspunkte eines Dialogs, den Christian Stock in Form seiner Serie „Hommage à Josef Albers“ mit seinen Vorgängern führt. Titel und Inhalt der Serie setzen sich explizit in Beziehung zu „Homage to the Square“, von Josef Albers, einem der bekanntesten Werkkomplexe der jüngeren Kunstgeschichte. Der 1933 aus Deutschland in die USA emigrierte Albers, zur Zeit seiner Vertreibung stellvertretender Direktor des Bauhaus, hatte 1952 – also im Alter von 62 Jahren – mit einer Serie von ineinander verschachtelten Farbquadraten begonnen, von denen es letztendlich mehr als zweitausend Stück geben sollte. In den ikonischen Blättern mit in- und aneinander gesetzten quadratischen Flächen untersuchte Albers Farbbeziehungen und ihre Wahrnehmungsweisen. Das Quadrat kann dabei als eine der Schlüsselformen der Abstraktion gelten; dominierten doch in der gegenständlichen Malerei traditionell die Quer- und Hochformate. Wie sehr sich Albers mit dieser Arbeit selbst in einen kulturgeschichtlichen Dialog – in diesem Fall sogar über die Jahrtausende – einbrachte, bezeugen Berichte, die beschreiben, dass ihn frühgeschichtliche, ornamentale Formfindungen und Architekturen mitinspiriert haben sollen.

Stock variiert nun den Klassiker in Form einer Serie von Malereien in verschiedenenFormaten, vom querformatigen DIN A4 bis zu monumentalen Quadraten von drei mal drei Metern. Sein Verfahren erinnert an die Praktiken des Jazz im Umgang mit den sogenannten Standards: Das Original ist sofort erkennbar, doch ebenso unmittelbar erkennt man die spezifische Neuinterpretation, die bei Stock mit der Nutzung der Techniken beginnt: Die im Aquarell ineinanderfließenden Farben sind ebenso Antithese zur Strenge eines Josef Albers wie die explosiven Erweiterungen der Grundform in Acryl. Josef Albers hat die Farben mit einem Messer exakt nebeneinander gesetzt wo Stock sie malerischer in- und übereinander führt. Wo Albers auf weiß grundierten Hartfaserplatten arbeitete, nimmt Stock das „leichtere“ unbehandelte Papier

Stock „verjazzt“ das Motiv, bezieht sich nebenbei auch auf den amerikanischenExpressionismus und sorgt mit einer deutlich erweiterten Farbauswahl als Albers für eine zeitgenössische Wendung der archaischen Form. Wo Albers sich mit häufigen Grün-, Gelb-, Orange- und Rottönen noch im weitesten Sinn an gängigen Naturfarben orientierte, kommen nun bei Stock mit Pink, Neongelb und Leuchtorange die medialen und popkulturellen Erfahrungen des frühen 21. Jahrhunderts ins Spiel. Zusätzlich verwendet Stock die Nichtfarbe Schwarz und es fällt schwer, hier nicht eine „Hommage à Malewitsch“ im Rahmen der „Hommage à Josef Albers“ zu sehen.

Kunst reagiert auf Kunst in einer kontinuierlichen Abfolge von Generationen.Im Dialog zwischen Stock und Albers werden wir Zeugen einer evolutionären Entwicklung, die Kultur- und Menschheitsgeschichte gleichermaßen kennzeichnet. Im Gesamtwerk von Christian Stock kommt diesen langdauernden Prozessen seit jeher eine besondere Bedeutung zu: Stocks – ebenso quadratische – Würfelskulpturen entstehen durch jahrelange Farbschichtungen. Zu manchen dieser „Würfelbilder“ entstehen parallel zu den Farbschichten, in gleicher quadratischer Größe, bemalte Papiere als „Zähl- und Zeitmemos“. Für diese werden dann Aufbewahrungsobjekte hergestellt, die Display- und Transportmittel in einem sind. In einer anderen Werkserie, den X und O Layer Paintings, entstehen geometrische Formen durch das wiederholte Ausstreichen von Farbe auf der Leinwand in bestimmtem Rhythmus. Christian Stock ist dabei immer auch ökonomisch: Er arbeitet beständig an den Grundformen von Malerei und fügt damit – sogar im wörtlichen Sinn – neue Schichten zur Kunstentwicklung hinzu.

Seine würdigende Bezugnahme auf Albers ist ein weiterer Teil seiner lebenslangenGrundlagenforschung und zugleich eine selbstbewusste Einreihung in eine künstlerische Genealogie. Stock weiß, dass die genaue Wahrnehmung des Kanons und die direkte Bezugnahme auf existierende Werke eine Grundvoraussetzung dafür ist, selbst Teil jener Entwicklungslinie zu werden, die man Kunstgeschichte nennt.